10 Januar 2012

Glaubt euren Sinnen nicht


Immer wieder stelle ich in Gesprächen fest, dass die meisten Menschen wirklich einfach alles glauben, was sie meinen mit eigenen Augen gesehen zu haben. Warum ist diesen Menschen denn nicht bewusst, dass sie ihren Sinnen nicht trauen dürfen? Ist es wirklich so, dass die meisten Menschen tatsächlich keine Ahnung davon haben, wie sehr ihre eigenen Sinne sie immer wieder hinters Licht führen und wie leicht beeinflussbar sie sind?

Die meisten Menschen glauben schlicht alles ungefragt, vor allem dann wenn jemand ihnen mit Begeisterung erklärt, dass andere es auch glauben. Das ist für mich immer schon schwer zu verstehen, denn ich hinterfrage erst einmal alles und möchte grundsätzlich mehr als nur so eine oberflächliche Begründung. Wenn alle etwas glauben, muss es längst nicht stimmen. Ich möchte die Studien sehen, auf die sich berufen wird und ich möchte Fakten und Belege haben (natürlich auch nur dann, wenn das Thema mich angeht oder interessiert). Wenn mir jemand sagt, er habe ein Medikament, dass mir hilft, dann möchte ich wissen, wie es hilft, welche Wirkstoffe enthalten sind, mit welchen Körperfunktionen diese interagieren und welche Studien dies belegen und wie diese Studien durch geführt wurden.

Andere Menschen scheinen aber nicht so zu sein, sie glauben einfach alles ungefragt, was ihnen irgendein Esoguru erzählt und vor allem glauben sie das, was sie meinen mit eigenen Augen gesehen zu haben. Ist diesen Menschen nicht bewusst, wie leicht sie beeinflusst werden können und wie leicht sie sich selbst hinters Licht führen? Was wir sehen, ist nicht die Wirklichkeit, es ist nur das, was unser Gehirn uns zeigt. Und dieses Gehirn wählt sehr genau aus, was und wie wir wahr nehmen. Es zeigt uns nur das, was wir zu sehen wünschen. Das ist auch gut so, sonst hätten wir es mit einer massiven Reizüberflutung zu tun.

Beispiel - jede Ehefrau kennt das doch zu gut: neue Frisur, Wohnung umgeräumt, neues Bild aufgehängt, Ehemann kommt nach Hause und merkt nix. Da darf man nicht enttäuscht sein, sein Gehirn zeigt ihm die Veränderung einfach nicht an, er sieht, was er erwartet zu sehen: seine Frau, seine Wohnung. Veränderungen werden nur dann angezeigt, wenn er darauf hingewiesen wird. Dieser Schutzmechanismus unseres Gehirns ist sinnvoll, das Gehirn verbraucht viel Energie und deshalb läuft es meist im Sparmodus und es beschäftigt sich nur mit relevanten Dingen: wir sehen, was wir erwarten und Änderungen werden nur dann eingefügt, wenn sie wichtig erscheinen. Das Hirn eines Mannes erachtet aber neue Frisuren wohl nicht als so wichtig (sie sind ja auch nicht lebenswichtig, kein Tiger der die Frau angreift, kein Tier das gejagt werden muss, nix brennt – ergo nimmt unser Steinzeitmännchen nichts wahr).Allerdings: hat "sie" seine Couch umgestellt oder gar entsorgt, nimmt er das sehr wohl wahr, denn sein Ruheplatz ist ihm heilig und damit wichtig.

Auf der anderen Seite, zeigt unser Gehirn uns eben auch gern das, was wir zu sehen wünschen. Beispiel: Wir verwenden eine neue Creme, die war teuer und verspricht viel, vor allem soll sie unsere Falten verschwinden lassen. Nun ist es aber so, dass frei verkäufliche Cremes nur in der oberen Hautschicht wirken, sie können also keine Falten verschwinden lassen, denn diese sitzen viel tiefer. Bestenfalls wird die Haut ein klein wenig besser mit Feuchtigkeit versorgt, mehr ist einfach nicht drin. Trotzdem haben wir das Gefühl, viel jünger und besser auszusehen, sogar Freunde bestätigen das. Und sie lügen nicht, wir sehen besser aus – weil wir uns besser fühlen. Wir haben etwas für uns getan und fühlen uns wohl, dadurch sehen wir auch besser aus und haben eine positivere Ausstrahlung. Eine billige Creme hätte nicht den selben Effekt, denn wir erwarten davon nicht so viel – selbst wenn sie die gleichen Inhaltsstoffe hätte. Dazu gab es schon viele Studien und sie brachten immer das gleiche Ergebnis: gleiche Creme – als teuer dar gestellt = mehr Effekt wird wahr genommen, als billig dar gestellt = kein oder wenig Effekt wird wahr genommen. Lustig oder? Es ist nicht die Creme die hilft, es ist die Erwartung an die Creme. Unsere Erwartung erfüllt sich also.

Anderes Beispiel: eine Freundin erzählt davon, dass ihre Familie eine Karaffe besitzt, die Wasser energetisch aufladen soll. Nun hätte die ganze Familie aber fest gestellt, dass das Wasser aus der Karaffe wie tot schmeckt, es wäre schal und alle hätten diesen Effekt fest gestellt. Nun fällt es aber sogar geübten Wassertestern recht schwer, Unterschiede fest zu stellen, wenn sie Wasser verkosten, warum stellt die ganze Familie diesen Effekt fest? Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Fangen wir damit an, dass Wasser, das einen Tag in einer Karaffe steht natürlich Zimmertemperatur hat und damit nicht mehr so frisch schmeckt, wie kühles Wasser aus dem Hahn (wir nehmen kalt oder kühler immer als frischer wahr). Jeder der mal ein Glas Wasser über Nacht hat stehen lassen, merkt diesen Effekt. Die Familienmitglieder bekamen das Wasser von jemandem gereicht, der ihnen sagte, sie sollten das mal testen – selbst wenn sie nicht gesagt bekommen haben, was sie erwartet (also das das Wasser tot schmeckt) – schon das Familienmitglied, dass ihnen das Wasser reichte, zeigte durch seine Körperhaltung und seinen Gesichtsausdruck, dass ein negatives Ergebnis folgen wird. Wir Menschen nehmen unser Gegenüber unterbewusst sehr intensiv wahr und versuchen auch unbewusst seinen Erwartungen zu entsprechen. Also schmeckt das Wasser dem Tester den Erwartungen entsprechend nicht (es ist ja vermutlich auch zu warm, auf jeden Fall ist es abgestanden) und die Familie weiß nun, dass diese Karaffe nicht funktioniert. Tut sie auch nicht, aber sie hat das Wasser auch nicht verändert, das ist sicher.

Oder ein beliebter Test, der ständig so im Fernsehen vorgeführt wird: Testesser bekommen ein Nahrungsmittel vorgesetzt, es wird ihnen gesagt, was es ist und sie schmecken dann auch genau das – in Wahrheit war es aber was ganz anderes, das nur so aussah als ob. Die Testesser hatten aber keine Chance, denn sie erwarteten ein bestimmtes Nahrungsmittel und schmeckten es entsprechend ihrer Erwartungshaltung auch.

Wir stellen also fest: das Ergebnis des Wassertests der Familie ist durch die Interaktion der Familie miteinander und vermutlich auch durch die Wassertemperatur und die Lagerung des Wassers verfälscht. Das Selbstbildnis der Cremebenutzerin ist durch eine Erwartungshaltung verfälscht und der Ehemann ist nicht unaufmerksam, er hat einfach gar keine Chance, die Veränderungen wahr zu nehmen, weil sein Unterbewußtsein sie nicht lebenswichtig findet.

Klar, euch allen, die ihr das hier lest, passiert sowas nicht. Ihr gehört zu den vernünftigen Menschen, die nie hinters Licht geführt werden. Ihr lacht über die Probanden, die Huhn statt Schwein schmeckten und seit euch sicher: ihr hättet das entlarvt. Jeder glaubt von sich selbst, dass sein Unterbewusstsein keine Macht über ihn hat, aber ihr täuscht euch gewaltig. Sogar wenn ihr es wisst, kriegte es euch dran, sogar ein Mensch, der so kritisch ist wie ich, wird vom Unterbewusstsein voll in die Pfanne gehauen – und ich weiß es sogar. Beispiel: nehme ich eine Schmerztablette, weiß ich, wie lange der Wirkstoff in etwa braucht, bis er wirken kann – und genau dann setzt die Wirkung auch ein. Würde mein Mann meine Schmerztabletten heimlich gegen geschmacksgleiche Placebo austauschen, sie hätten wohl die selbe Wirkung. Habe ich eine Blasenentzündung, reicht oft schon ein Glas Preiselbeersaft und es geht mir viel besser. Jaaaa das Zeug hat Wirkstoffe die helfen könnten, aber niemals so schnell und schon gar nicht, wenn die Infektion stark ist, klappt aber trotzdem, weil ich, trotzdem ich mir dessen voll bewusst bin, mich von meinem Unterbewusstsein rein legen lasse. Ich erwarte eine Besserung und sie tritt ein. 

Das klappt auch bei den Meerschweinchen. Ich erwarte, dass ein Meerschweinchenbock Ruhe in die Zickengruppe bringt, setze ich einen dazu, meine ich, die Tiere sind ruhiger und vertragen sich besser. Aber ist das wirklich so? Vielleicht sehe ich das nur, weil ich es gern sehen möchte – mein Mann meinte jedenfalls, die Damen zicken immer noch rum und er meint sogar, sie zicken mehr rum. Ich habe also gesehen, was ich zu sehen wünschte. Mein Mann hingegen war der Ansicht, ein Tier mehr bringt immer Unruhe und sah genau das, was stimmt nun?

Wir können uns unserer Sinne also nicht sicher sein, wir sehen nämlich das, was wir zu sehen hoffen und es passiert auch das, was wir erwarten. Nehmen wir ein Medikament und glauben daran (egal ob bewusst oder unterbewusst), dann wirkt es, selbst wenn es eigentlich nicht wirken kann. Dies machen sich viele verschiedene Scharlatane zu nutzen, indem sie uns div wirkungslose Medikamente unterjubeln, sie erklären uns schön, warum es klappt, nehmen sich mehr Zeit als unser Arzt (die sie sich aber meist auch teuer bezahlen lassen) dann noch ein wenig Hokuspokus dazu (sie fangen unsere Schwinungen auf, reden mit Engeln, leiten kosmische Energien oder sonstigen Blödsinn, früher tanzten sie ums Feuer und schauten wild oder sie setzen sich ein Monokel auf und trugen einen weißen Kittel) und allein das reicht, dass wir glauben und die Mittel dann auch wirken.

Können wir dem entgehen? Ja, durch die Wissenschaft.

Wissenschaftler versuchen genau diese Faktoren Unterbewußtsein und Erwartungshaltung so weit zu eliminieren, dass völlig frei bewertet wird und damit kommen wir zu den Blindstudien. Was das ist, könnt ihr hier nachlesen: Blindstudie

Hätte die Familie, die da ihre Karaffe mit Wasser hatte, sich an die einfachen Regeln einer Blindstudie gehalten, dann wäre das Ergebnis wohl nicht so eindeutig ausgefallen. Wie hätte das ausgesehen? Man hätte zwei gleichgroße Karaffen aus gleichem Material (also vermutlich Glas) zum gleichen Zeitpunkt am Wasserhahn füllen müssen, diese Karaffen werden am gleichen Ort aufbewahrt und dann bekommen die Tester zwei identische Gläser mit Wasser von jemandem gereicht, der auch nicht weiß, in welchem Glas welches Wasser ist. Nur eine dritte Person, die sich nicht im Raum befindet und deshalb keine Signale geben kann, weiß, welches Glas welches Wasser enthält. Nur so hätten alle sich objektiv ein Urteil bilden können. Oder was die Schweinereien angeht: vor und nach dem Einsetzen des Bockes müssten unabhängige Beobachter Protokoll darüber führen, wie lange und wie die Tiere miteinander interagieren. Aus solchen Protokollen kann man ersehen, ob eine Veränderung der Gruppenzusammensetzung auch eine Verhaltensveränderung bringt. Ein Hautarzt hätte die Haut der Cremebenutzerin vor und nach dem Test untersuchen können etc. 

Manchen Fallen entgeht man nur durch das Wissen darum, dass es Fallen sind und deshalb solltet ihr immer hinterfragen und neugierig bleiben. Bleibt skeptisch. Hier gibt es einen wundervollen Link wo sich viele viele Artikel finden, hier könnt ihr Artikel zur Wahrnehmungstäuschung finden, zur Wissenschaft aber auch zu Wunderheilern und ähnlichem Kappes - viel Spaß beim weiterlesen und Skeptisch bleiben:




Manchmal schadet es allerdings auch gar nicht, wenn man sich selbst rein legt, ich bin ja froh, dass meine Schmerzmittel fast immer zuverlässig wirken ;)

2 Kommentare:

  1. Hallo,

    noch vor 15 Jahren hätte ich das genau so unterschrieben ;-).

    Als ich Anfang der 90er krank wurde, setzte ich ausschließlich auf die Schulmedizin und ihre bewährten, erprobten Therapien.Nach sechs Jahren hatten die Ärzte mich kaputt therapiert und schickten mich mit Mitte 20 quasi zum Sterben nach Hause.
    Dass ich daraufhin "alternative Methoden" versuchte, tat ich allein meinem Umfeld zuliebe, ich selbst glaubte nicht eine Sekunde, dass mir das irgendwie helfen könnte - das ist 14 Jahre her, uns seit drei Jahren kann ich wieder fast normal leben....

    Liebe Grüße vivi

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  2. Mir hat die Schulmedizin nicht geholfen und die alternativen Therapien auch nicht - was nun? Ich bin einfach ohne jede Hilfe gesund geworden - wer weiß, ob das bei dir nicht auch funktioniert hätte? Manchen hilft der Glaube an Gott, anderen der Glaube an moderne Schamanen... und manchen auch einfach ein wenig Ruhe und der Verzicht auf jede Menge Medikamente und vielleicht noch eine Diät ;)
    Ich halte es für sinnvoll, sich dessen bewusst zu sein und vielleicht mal zu hinterfragen, was die alternativen Möchtegernmediziner da eigentlich für Behauptungen aufstellen. Leider stelle ich aber immer wieder fest: wer daran glauben will, der glaubt eben und will einfach nicht dazu lernen, schade, denn es gibt so viel zu lernen und zu wissen (siehe Link oben oder Links auf der Seite dieser HP).

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